Leergeschossen!

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Leergeschossen!

Bier und Stammtische sind eine herrliche Sache. Es gibt auch nirgends so viele Experten wie da. So lange man über sich selbst redet und lacht, ist das sogar eine sympathische Einrichtung. Das baut Stress ab und dient der sozialen Hygiene. Ärgerlich wird es, wenn über andere getratscht wird und dabei wissentlich Lügen verbreitet werden. Genau so ärgerlich, wenn nur um des Tratschens willen, ohne eigene Kenntnis der Sachlage, Tratschereien als Fakten weiterverbreitet werden. Das gilt für alle Lebensbereiche, damit eben auch für die Jagd. Dass das Ganze so alt ist wie die Menschheit, macht es nicht automatisch sympathisch; es ist und bleibt in jedem Einzelfall zumindest ärgerlich für den, die Betroffene(n), und es gibt sicher niemanden, der in seinem Leben nicht schon mal Betroffene(r) war. Wie schon gesagt, die Jagd ist davon nicht nur nicht ausgeschlossen, sondern das Phänomen findet sich gerade hier in seiner manchmal ausgeprägtesten Variante. Ich will eine davon als ehemals Betroffener zur Verdeutlichung kurz schildern. Was war passiert?

Etwas eigentlich Alltägliches, nämlich ein ganz banaler Wechsel des Revierpächters. Das Revier O. hatte ab dem 1. April einen neuen Pächter. Bisheriger Pächter war ich mit Freund G. Der Preis war absolute Obergrenze. Es war trotzdem eine schöne Zeit. Es gab keine größeren Probleme, mit einer Ausnahme: Unmittelbar nach der Anpachtung wurde ohne Ankündigung und Absprache kräftig gegattert, ca. 15 ha, zusammen mit den vorhandenen Gatterflächen insgesamt deutlich über 15 % der gesamten jagdbaren Fläche. Wir haben das akzeptiert, um des lieben Friedens Willen. Bei der Anschlussverpachtung allerdings waren wir nicht mehr bereit, das zu zahlen und haben unser Angebot reduziert, nämlich um den Pachtpreis für die Gatterflächen.

Noch draufgelegt, und zwar über die volle Fläche, hat aber ein Jagdgenosse, und den Zuschlag bekommen. Es ist völlig in Ordnung, wenn ein Bieter im Wettbewerb ein Revier anpachtet, wir leben in einer Demokratie. Wenn er selbst Jagdgenosse ist, muss man ihm unterstellen, dass er das Revier kennt. Wenn er es trotz dieser internen Kenntnisse dann überteuert anpachtet, kann man sich zwar wundern, aber weiter vermuten, dass er dafür Gründe hat. Scheinbar ist das aber oft nicht so, und was dann folgt, passiert öfter, als man glaubt, nur registriert man es als direkt Betroffener wohl intensiver. Es war offensichtlich ein so genannter „Kaufkater“ eingetreten. Aber auch das wäre ein alltägliches Phänomen. Schlimm wird es erst, wenn dann verbreitet wird, das Revier wurde vom Vorgänger „leergeschossen“. Der normale Mensch fragt sich, stimmt das? Wenn ja, erübrigt sich jeder Kommentar. Wenn nein, warum solche Behauptungen? Darum eines nach dem anderen.

Wir hatten in unseren Pachtjahren in O. unseren Abschuss an weiblichem Rehwild und Kitzen immer erledigt, und zwar anlässlich unserer (einzigen) jährlichen Drückjagd. Immer am ersten Samstag im Dezember. Immer absolut sauber, d. h., ohne dass je eine Nachsuche nötig wurde. Der relativ späte Termin deswegen, weil erstens der Unterwuchs zu diesem Zeitpunkt bereits gelichtet ist, zweitens beim ungewollten Abschuss einer Ricke das Kitz dann bessere Chancen hat, den Winter zu überstehen und drittens, weil um den Monatswechsel November / Dezember überdurchschnittlich oft eine Schönwetterphase auftritt. Danach war Ruhe! Jeder Jagdwissenschaftler, jeder Wildbiologe empfiehlt das als entschieden schonendste Jagdmethode, und zwar für Wald und Wild. Ich gehe noch weiter und behaupte, die schönste auch für Jäger. Denn bei uns wurde Strecke gemacht, alles war durchorganisiert, dementsprechend waren sowohl der Zulauf zu unserer Jagd als auch die Reaktionen darauf. Bezeichnenderweise löste diese Jagd trotzdem immer aufgeregte Diskussionen bei der jägerischen Umgebung aus, wohl hauptsächlich wegen der regelmäßig überdurchschnittlichen Strecke. Gedacht wurde: Wie machen die das bloß? Zu hören war: Die schießen das Revier leer (wow, jedes Jahr!!). Offen angesprochen wurden wir nie. Einladungen an die Nachbarn wurden mit schöner Regelmäßigkeit ausgeschlagen bzw. in letzter Stunde abgesagt. Banale Tatsache ist, dass wir einfach unsere Abschussplan- Vorgaben für weibliches Rehwild, vor allem Kitze erfüllt haben.

Man kann über Abschusspläne denken, wie man will, eines ist Fakt: Sie sind gesetzlich vorgeschrieben und nach meinem Rechtsverständnis verbindliche Vorgabe und keine freundliche Empfehlung, an die man sich halten kann oder nicht. Die Revierinhaber werden nicht umsonst an der Aufstellung beteiligt. Und auf jedem Abschussplan ist der Bockabschuss ausdrücklich als Maximalvorgabe, der Ricken- und Kitzabschuss ausdrücklich als Mindestvorgabe ausgewiesen. Sie können folgen? Wir hätten locker mehr schießen können, wenn wir gewollt hätten, haben uns aber auf die angemeldeten 9 Stücke beschränkt. Im Klartext: Wir sind unseren gesetzlichen Verpflichtungen nachgekommen, nichts mehr, nichts weniger. Wenn einige Überjäger uns das dann als „Leerschießen“ auslegen, muss man diesen Leuten logischerweise unterstellen, dass keiner von ihnen seinen Verpflichtungen nachkommt. Wie auch? Der Abschuss an weiblichem Rehwild und Kitzen ist mit Ansitzjagd fast nicht zu schaffen. Anderes fällt manchen Experten aber nicht ein. Also lässt man´s ganz. Und wozu auch der Stress? Das ist mühsam, Trophäen sind nicht, kontrolliert wird´s eh nicht, der Himmel ist hoch, der Zar ist weit, und überhaupt, wir haben sowieso kein Rehwild mehr, von wegen Fallwild, Verkehrsopfer usw. usw.. Und dann sind ja da noch die Nachbarn, die alles leer schießen, und alle Rehe laufen dann zu denen und brennen darauf, sich aus purer Opposition nur von denen tot schießen zu lassen, also, ich weiß gar nicht, was ich denen (den Rehen) getan habe, usw. usw.

Ich will dazu gar nichts mehr sagen, weil ich es leid bin, permanent über (erwiesenen) Blödsinn zu debattieren. Man sollte wirklich einmal probeweise anregen, für weibliches Rehwild den körperlichen Nachweis zu fordern. Zumindest die Forstverwaltungen, allen voran die staatlichen, hätte man dabei garantiert auf seiner Seite. Dann würde sich auch sehr schnell herausstellen, wer sich dann noch mit ruhigem Gewissen Jäger nennen dürfte. Wie denn auch, wenn manche Jäger  nach Ablegung der Jägerprüfung offensichtlich den heiligen Eid geleistet haben, nach dieser heroischen Leistung nie wieder ein Fachbuch in die Hand zu nehmen bzw. sich sonstigen weiteren fachlichen Qualifizierungen zu unterziehen. Gejagt wird nach dem Motto: „Das hat schon unser Opa so gemacht“. Der wusste es nicht besser, und es war eine völlig andere Welt, sowohl von der Umwelt, der Reviergestaltung her als auch von der Wahrnehmung durch die Öffentlichkeit. Aber genau deshalb bestimmen unsinnig gewordene und abstruse „Weisheiten“ teilweise noch heute den jagdlichen Alltag.

Für die, die offensichtlich Probleme mit unserer Art zu jagen und mit dem regelmäßigen Erfolg unserer Herbstjagd haben, zum Mitschreiben: Das kann jeder. Voraussetzung ist aber, eigene (revierspezifische) Beobachtungen, Erfahrungen über Jahre zu ordnen, mit dem aktuellen Stand der Wildtierforschung abzugleichen, damit in Einklang zu bringen und das dann in die Praxis umzusetzen. Das bedeutet Arbeit und zumindest anfangs auch Frust, aber dafür macht es dann hinterher umso mehr Spaß. Nur „Horrido“, Trachtenanzug und salbungsvolle Worte über das edle deutsche Waidwerk reichen eben nicht. Zum Thema Jagd gibt es erstaunlich interessante Veröffentlichungen, die noch nicht einmal geheim sind. Zur Jagd im Allgemeinen lege ich jedem einmal ans Herz, einmal den Altmeister Hermann Löns zu lesen, hier vor allem sein „Kraut und Lot“; was dieser Mann vor über 100 Jahren bereits veröffentlicht hat, sollte eigentlich für jeden Jäger Pflichtlektüre werden. Dann Professor Dr. H. Kalchreuter mit „Die Sache mit der Jagd“; aber auch, ganz in unserer Nähe, Dieter Stahmann mit „Über die Jagd hinaus“, „Weidgerecht und nachhaltig“, der die Sache mit einem nachvollziehbaren und gut lesbaren philosophischen Ansatz angeht. Zur Rehwild- Bejagung empfehle ich angelegentlich die Lektüre von Fred Kurt, „Das Reh in der Kulturlandschaft“, und Bruno Hespeler, „Rehwild heute“. Beim Schwarzwild wäre hier u. a. Dr. Heinz Meynhardt, Prof. Lutz Briedermann, Bruno Hespeler und Norbert Happ zu nennen. Da kann man großartige Anleihen machen.

Man glaubt gar nicht, wie viel überlieferten und ausdauernd kolportierten Unsinn man danach über Bord werfen kann. Ich fürchte aber, dieser Ratschlag ist vergeudet. Das ist nämlich unter der Würde vieler „Überjäger“. Nur ein Beispiel. Ich habe zu der Zeit ein Seminar über Rehwildbejagung initiiert und organisiert, Referent war ein bundesweit anerkannter Jagdexperte, dazu ein ausgewiesener Praktiker, weil viele Jahre lang Berufsjäger, erfolgreicher Buchautor, darüber hinaus als Mensch erfrischend unkompliziert und sympathisch. So einer hat seinen Preis. Die Gesamtkosten inklusive An-, Abfahrt und Übernachtung beliefen sich auf ca. 1.200,00 €. Der Saal hätte gut 60 Teilnehmer gefasst, deswegen habe ich zur Kostendeckung pro Person eine Gebühr von 20,00 € angesetzt. Es erschien ein Hinweis- Artikel in einer örtlichen Zeitung. Ich habe persönlich mit zwei Hegeringleitern gesprochen bzw. korrespondiert. Hegeringleiter v. P.: Es will niemand. Hegeringleiter M.: 20,00 € sind viiieeel zu teuer. Nicht ausgesprochen, aber deutlich spürbar die Unterstellung, ich wolle mir nur die Taschen füllen. Das (abendfüllende) Seminar fand statt und war, wie erwartet, hochinteressant, lehrreich und spannend. Der anschließende gesellige Teil ist bei allen heute noch in guter Erinnerung. Die 30 Teilnehmer haben mit Sicherheit einiges mitnehmen können. Ich persönlich habe 600,00 € zugezahlt. Hat mich nicht umgebracht, ich habe daraus gelernt. Aber die Herrschaften, denen 20,00 € für das Seminar zu viel waren, müssten Sie mal z. B. bei „Jagd & Hund“ in Dortmund beobachten. Nur vom Feinsten! Die lernen es am Bierstand. 25,00 € pro Runde? Her damit, was sind schon 25,00 €?

Aber das nur am Rande. Kommen wir zurück zum Thema, zum Revier O. Hier wurde nichts leer geschossen, im Gegenteil. Wir haben, wie gesagt, während der gesamten Pachtperiode immer belegbar unsere Abschussvorgaben eingehalten, mit Ausnahme des letzten Jagdjahres. Da haben wir zwar den weiblichen Abschuss erfüllt (9 Stücke auf der Herbstjagd, exakt den festgelegten Abschuss), aber im Sommer davor lediglich 5 Böcke geschossen. Und, meine Herren Experten, nach der Herbstjagd hat das Revier, wie in jedem Jahr, von uns keinen Schuss mehr erlebt, uns lediglich zu verschiedenen Kontrollgängen und Revierarbeiten gesehen. Ich denke, wir haben ein gepflegtes und wohlgeordnetes Revier (Verbissbelastung lt. forstwirtschaftlichem Gutachten: Nicht feststellbar) hinterlassen. Da das folgende Jagdjahr noch zum Dreijahresplan- Zyklus zählte, war es dazu ein Revier mit der angenehmen Eigenschaft, dass im Folge- Jagdjahr statt 9 erlaubten 13 Böcke geschossen werden durften. Das war sicherlich nicht von Nachteil, weil es mit Schwarzwild nicht so weit her war. Das hätte ich jedem, auch meinem Nachfolger, ganz sicher auf Anfrage mitgeteilt, auch andere Tipps und Fakten im Zusammenhang mit dem Revier. Nur hat sich niemand der Mühe unterzogen, mich oder Freund G. anzusprechen, anzurufen oder in sonst irgendeiner Art und Weise zu kontaktieren.

Ich weiß nicht, ob bei unseren Nachfolgern die geforderten Abschusszahlen erreicht wurden, mündliche Berichte ließen anderes vermuten. Eines aber können wir versichern und bei Bedarf jederzeit von unseren (unverdächtigen) Herbstjagdgästen bestätigen lassen: Es ist Rehwild genug da. Auch die Jagdgenossen sind dieser Ansicht (Verpachtungs- Versammlung 2005, O- Ton Jagdgenosse K.: Es ist viel zu viel Rehwild da!). Auf unserer Herbstjagd wurde regelmäßig ein Vielfaches der späteren Strecke gesehen. Die Methode macht es eben.

Zur Erinnerung

Rehwild neigt stark dazu, sich möglichst unsichtbar zu machen. Und es ist ganz erstaunlich, wie erfolgreich die Tierchen dabei sind. Dementsprechend ist also Rehwild auf Wiesen oder sonstigen offenen Flächen die Ausnahme. Warum sollten die sich auch weithin sichtbar hinstellen? Machen wir ja auch nicht gern, und Rehwild schon mal gar nicht; als Drückertyp und so genannter Grenzlinienbewohner liebt es unbedingt die Deckung. Aber das wissen ja alle. Seit einiger Zeit auch stellt die Forstwirtschaft, privat und staatlich, ihre Methoden um. Erklärtes Ziel ist seitdem, vom althergebrachten strikten Altersklassenwald abzugehen, Fichten- Monokulturen durch Laubmischwald mit der Hauptbaumart Rotbuche zu ersetzen. Bestehende Bestände werden systematisch ausgelichtet, unterpflanzt, Plenterbewirtschaftung nimmt zu etc. etc. Auch die üblichen Subventionszahlungen für Privatwaldbesitzer werden davon abhängig gemacht. Auch das wissen natürlich alle. Die Folge davon: Raume Bestände mit Lichtinseln, starke Strukturierung, in Verbindung mit dem hohen Stickstoffeintrag durch die Luft üppigster Unterwuchs. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen tun ein Übriges: Kleinere Flächen werden nicht mehr bearbeitet, weil es sich nicht lohnt, weil Erben kein Interesse haben, sie verfilzen, wachsen zu. Für Rehwild ein Paradies. Denn es findet genug bequeme und hochwertige Äsung direkt in und neben den Einständen. Das ist, natürlich, jägerisches Allgemeinwissen. 

Das bedeutet aber auch, logisch, dass es, abgesehen von der Mai- und der Blattjagd auf Böcke, bei der es mit Hängen und Würgen, mit Dauerverstänkerung der Einstände auch mit den alten Methoden möglich ist, den Abschuss zu erfüllen, spätestens beim weiblichen Abschuss zum Schwur kommt. Bei Aufgang der Jagdzeit sieht man sie längst nicht mehr, sie ziehen auf zehn Meter am Hochsitz vorbei, man hört sie manchmal, sehen tut man aber nichts. Das wissen auch alle. Aus Erfahrung.

Ja, dann ….

Ja dann. Dann bleibt, will man seinen gesetzlichen Verpflichtungen genügen, die ordentlich durchgeführte Drückjagd. Wir haben es, s. o., immer locker geschafft, dadurch den Abschuss zu erfüllen; die Ansitzerei hat es einfach nicht gebracht. Dazu gehört aber die Einsicht, dass offensichtlich untaugliche Verfahren aufgegeben, überkommene Methoden angeglichen und revierangepasst verfeinert werden müssen. Und ich halte es nicht für ein Verbrechen, wenn man sich die Arbeit von hoch qualifizierten Fachleuten aus der Wildtierforschung zunutze macht und die Ergebnisse ihrer Arbeit übernimmt. Stattdessen oft die stereotype, hilflose  Aussage: „Wir haben kein Rehwild mehr!“ Schon mein Großvater hat immer zu mir gesagt: Junge, wenn jemand nur ´n Hammer hat, sieht jedes Problem wie ´n Nagel aus.

Ich bin kein Prophet, befürchte aber, dass genau da das Problem liegt. Und daher ist mir (und nicht nur mir) auch klar, was der ganze Zirkus mit „Revier leer schießen“ eigentlich bezweckt. Wie man hier sagt, „man kann dran packen“. Der Abschussplan und die damit verbundenen diffusen Ängste und Ahnungen, das ist es. Sicher, ich kann den lieben langen Tag im Revier herumsitzen, wenn ich die Zeit dazu habe. Nur sehe ich ja bei den Nachbarn die Ergebnisse. Aber da man es eben nicht besser weiß, sitzt man. Die Folge ist, dass das bisher relativ vertraute Rehwild wegen dieser Dauerpräsenz sehr viel heimlicher wird. Die merken nämlich noch was. Das Kümmer- Rehchen, das man sieht, muss dann nach überkommener Sitte mindestens drei bis vier Ansitzgeschehen lang studiert werden, man ist schließlich ein waidgerechter deutscher Jäger. Zu 95 % kommen sie noch nicht einmal ein zweites Mal, weil sie uns schon beim ersten Ansitz über kurz oder lang spitz haben und dann verschwinden. Die grenzdebilen 5%, die selbst dann doch noch um die Kugel betteln, machen leider nicht viel her. Siehste, vom Vorpächter leer geschossen! Und das so gründlich, dass es für die ersten drei Jahre als Entschuldigung langt. Danach, weil es dann langsam peinlich wird mit dem „leergeschossen“, die üblichen Anschlussausreden: Überhaupt kein Rehwild mehr, die Spaziergänger, die Reiter, die vielen Katzen und Hunde, das viele Fallwild, der Straßenverkehr, wo nichts ist, kann man nichts schießen, etc. etc.. Abschussmeldungen aber wie gehabt: Böcke so gerade, bei den Weibern wird gelogen, was das Zeug hält. Methoden ändern? Aufbau-, Pionier- und Erhaltungsphase eines Rehwildbestandes? Revier- und Fluchtverhalten, Besiedlungsstrategien, Biotopkapazität? Was ist das denn alles? Neumodisch- dumm Tüch!!

Wir waren manchmal wochenlang nicht zur Jagd im Revier, vor allem dann, wenn es für das Wild gut war, dass es Ruhe hatte, und das Wild hat es uns gedankt. Wegen der Ruhe, Stressfreiheit übers Jahr wurde die Streckenerfüllung bei der Herbst- Drückjagd trotzdem immer erreicht. Zeitweise jägerische Nicht- Präsenz aber bedingt eine gewisse Selbstdisziplin und die Abkehr von alten, überholten Denkweisen: Dass man für das viele Pachtgeld schließlich auch was haben, sprich jeden Tag herumsitzen will. Wohlgemerkt: Ins Revier kann man, z. B. zum Arbeiten, und sollte man, z. B. zu Kontrollgängen, überhaupt kein Problem, aber eben wie der Spaziergänger, der Waldarbeiter, ohne Heimlichkeit und Schleicherei.

Wir bekamen z. B. viele Berichte über Wildbeobachtungen von unseren Jagdgenossen – und unseren Reitern und Kutschern. Und damit kommen wir zu einem alten Vorurteil, das nach wie vor weit verbreitet ist und bei vielen Jägern immer noch zu nervös bedingtem Hautausschlag führt: Pferde und damit Kutscher und Reiter im Revier. Wir hatten in nächster Nähe einen Reiterhof, dessen Mitglieder anfangs immer ängstlich – unsicher auf uns reagierten, wenn wir sie im Revier trafen, denn es gab bei uns keine ausgewiesenen Reit- und Fahrwege, und damit hätten wir ihnen Ärger machen können. Wir haben ihnen die Sorgen genommen und sie willkommen geheißen, aber im Gegenzug auf strikte Einhaltung der Wege bestanden. Alle hielten sich an die Vereinbarung, es klappte gut. Zum Dank dafür bekamen wir wertvolle Berichte über Wildbeobachtungen und -bewegungen. Eines muss nämlich einmal klar gesagt werden dürfen: Pferde, Kutschen, Reiter, auch Spaziergänger mit Hunden, wenn sie auf den Wegen bleiben, werden vom Wild bei weitem nicht so massiv als Störung empfunden wie eine rund um die Uhr nach Jäger stinkende Kanzel.

Ich weiß, ich weiß. Opa hat das immer so gemacht. Na dann, weiter so, wir leben schließlich in einem freien Land. Aber der Jagd an sich erweist man mit dieser fahrlässigen Haltung einen fatalen Bärendienst. Und diese „Jäger“ sollten zumindest die in Ruhe arbeiten lassen, die bewiesen haben, dass es sehr wohl auch anders geht.

Manfred Nolting

Ein Jagdmensch

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