Schlagwortarchiv für: Heuss

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Theodor Heuss und die Jagd

oder

wie man selbst als untadeliger Mensch post mortem missbraucht werden kann…

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Wer kennt sie nicht, die Worte unseres Alt- Bundespräsidenten Theodor Heuss:

„Jagd ist eine Nebenform der menschlichen Geisteskrankheit.“

Weil das ein so schön kurzes Zitat ist, leicht auswendig zu lernen, wurde und wird es von unseren „Freunden“ mit Hingabe als absolute Wahrheit fleißig gebraucht.

Ach, Theodor, Du Armer. Wenn manche Leute ihre auswendig gelernten Schlagwort- Weisheiten mal auf ihren tatsächlichen Inhalt überprüfen würden, würden viele, viele Zitate auf dieser schönen Welt ganz schnell aus dem Verkehr gezogen. Betretenes Schweigen wäre die Folge. Nur:

Was ist wirklich geschehen? Und was hat Heuss tatsächlich gesagt?

Die Vorgeschichte ist fast kafkaesk: Nach dem WW II beanspruchte Jugoslawien Teile der Halbinsel Istrien und die Stadt Triest, sozusagen als Kriegsentschädigung, weil Italien ja zumindest bis 1943 als Verbündeter Hitlers den Krieg mit vom Zaun gebrochen hatte. Wogegen natürlich Italien, immerhin seit 1944 im Lager der Alliierten, sich heftig wehrte. In der Folge schaukelte sich eine veritable Krise auf, die Situation war völlig verfahren, Tito drohte schon unverhohlen mit militärischen Maßnahmen.

Auf dem Höhepunkt dieser Auseinandersetzung bemerkte Heuss bei einem Treffen hoher Diplomaten, dass die Botschafter der sich gegenseitig mit Krieg drohenden !! Länder Italien und Jugoslawien als passionierte Jäger zunächst gemeinsam zur Fasanenjagd gingen und hinterher freundschaftlich- entspannt miteinander aßen, tranken und plauderten. So ist das Zitat entstanden, also mit einem klar bewundernden Unterton, denn kurz darauf kam die Diplomatie wieder in Gang, und siehe, plötzlich war die Krise einvernehmlich beigelegt. (Man sieht, Jagd ist nicht nur gut für das Gemütsleben des einzelnen Jägers. Jagd kann sogar Kriege verhindern.)

Die Quelle

In „Tagebuchbriefe 1955-1963. Eine Auswahl von Briefen an Toni Stolper“, hg. von Eberhard Pikar. Tübingen/Stuttgart 1970, S. 106, ist – von Theodor Heuss – zu lesen:

„Zur »Jagd« dies: Jägerei ist eine Nebenform von menschlicher Geisteskrankheit, von der ich nie befallen war. Aber sie ist. Auch Diplomaten und deutsche Staatsmänner, die dafür gelten, die sich dafür halten, sind anfällig. Es ist ein Politikum nicht ohne Reiz: mitten in der ärgsten Triestkrise hatte ich den jugoslawischen und damaligen italienischen Botschafter an einem behaglichen Tisch und beim Schießen 100 m voneinander entfernt, auf Fasanen lauernd. Der BuPrä als solcher hat keine »Jagd« – das ist »Ländersache«. Aber Nordrhein-Westfalen stellt eine Staatsjagd zur Verfügung. Meine Funktion: am Vorabend ein Essen für 12 – 16 Herren, am Tag acte de présence bei vier Treiben – die Jäger stehen in einer langen Reihe und die Treiber scheuchen das Wild auf. Ich tue gar nichts, sondern besuche, wenn nichts los ist, die einzelnen Herren und plaudere mit ihnen. Ich habe nie eine Flinte in die Hand genommen und mir nie, wie alle anderen, ein Jagdkostüm angeschafft, sondern spaziere im Straßenanzug. Aber einige Leute schwören seitdem auf mich, d.h. auf meine »Ironie« […]“ *

Ein gewissenhafter Mensch hat sich mal die Mühe gemacht, die Theodor- Heuss- Stiftung zum Thema zu kontaktieren. Er erhielt von einem der Biografen Heuss´ folgende Auskunft:

„Herr Heuss hat sicher nicht Jägern Geisteskrankheit bescheinigen wollen, sondern in der Sprache seiner Zeit seine Verwunderung im Zusammenhang mit einer Gesellschaftsjagd zum Ausdruck brachte. Auf einer Fasanenjagd wurden aus politischen Feinden plötzlich Jagdkameraden und die damals aktuelle Triestkrise war vergessen.

Tatsächlich hatte Herr Heuss nichts gegen die Waidmänner und er würde es heute sicher als unverschämt empfinden, wie seine Gedanken von jagdfeindlichen Ideologen in ihrer Aussage beschnitten und missbraucht werden, um ganz normale Menschen zu diskreditieren. Eine Art übrigens, die ihm zutiefst zuwider war.

Übrigens ist die Ergänzung ,,Jagd ist nur eine feige Umschreibung für besonders feigen Mord am chancenlosen Mitgeschöpf.” eine reine Erfindung der Jagdgegner. Das hat Herr Heuss nie gesagt.“

Fazit:

Man sieht also: Theodor Heuss war nie ein Jagdgegner. Er war einfach nur kein Jäger. Was man ja auch nicht sein muss, wir leben schließlich in einem (noch) freien Land.

Was die Jagdgegner dann daraus machen, folgt dem üblichen Muster: Man sucht sich einen honorigen Menschen mit untadeligem Ruf, möglichst natürlich tot (sie / er könnte sich ja gegen den Missbrauch wehren!), pickt sich einen Satz aus seinem schriftlichen Nachlass heraus, reißt ihn aus dem Zusammenhang, biegt den Inhalt in die passende Richtung – und verwendet ihn gegen den ursprünglichen Sinn für eigene Zwecke als vermeintliche Moralkeule. Wer kann schon gegen Papa Heuss anstinken?

Man muss eigentlich schon ziemlich weit sein, wenn man zu solchen Mitteln greift. Man fragt sich, was der Grund für dieses unsägliche Getue ist. Gekränkte Eitelkeit? Anlasslose Missgunst? Angeborene Misanthropie?

Oder, wie ich persönlich schon lange insgeheim vermute, ist es nicht doch einfach nur tief sitzender, zwar krampfhaft verdrängter, aber ganz banaler Neid?

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Kirchveischede, 30. Mai 2015

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Manfred Nolting

Ein Jagdmensch

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* Man sieht also: Er hat sich darüber sogar amüsiert.